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Chess Classic Mainz

vom 13. bis 17. August 2003 in Mainz

ChessClassic 2003

Infos, Einladung, Auschreibung, 1. Tag, Turniere, Partien, Presse und Details


Pressemeldungen

Grischuk gewinnt Ordix Open
Lobron Dritter hinter Sokolov / Organisator Schmitt überglücklich über neue Rekorde

Beim größten Schnellschach-Turnier der Welt vermeldete Organisator Hans-Walter Schmitt überglücklich: „Alle zehn Rekorde gebrochen!“ Bei der zehnten Auflage des Ordix Open meldeten sich erstmals 500 Teilnehmer an, knapp ein Dutzend mehr als im Vorjahr. Auch die Qualität war beachtlich mit 129 Titelträgern. Jeder Vierte trug damit einen Meister-Titel des Weltverbandes FIDE. Im Kampf um den Löwenanteil der rund 24.000 Euro Preisgeld setzte sich Favorit Alexander Grischuk durch. Der Weltranglistensechste aus Moskau schlug in der elften Runde Jewgeni Agrest (Schweden) und verbuchte als einziger 9,5 Zähler. Platz zwei ging an Ivan Sokolov. Wie der unter niederländischer Flagge spielende Bosnier kam der Wiesbadener Großmeister Eric Lobron auf 9:2 Punkte. Seit Jahren der größte Erfolge des „Göttlichen“, wie Lobrons Spitznamen lautet. Vierter wurde der Ungar Joszef Pinter vor Wladimir Epischin (Russland) und Andrej Wolokitin (Ukraine/auch alle 9).

Grischuks erster Turniersieg seit drei Jahren
Interview mit Ordix-Open-Sieger

Alexander Grischuk riss jubelnd die Arme nach oben, nachdem Jewgeni Agrest die letzte Partie aufgegeben hatte. Der 19-jährige Weltranglistensechste stand dem Bulletin-Team zu einem kurzen Interview mit Eric van Reem und Hartmut Metz zur Verfügung.

Frage: Herr Grischuk, wie kam es zur wundersamen Wandlung? Im Chess960 enttäuschten Sie als 37.

Alexander Grischuk: Die ersten zwei Tage waren absolut enttäuschend für mich – vor allem mit Blick auf mein bisheriges Idol Bobby Fischer. Wie konnte er so etwas erfinden? Nachdem ich meine erste Partie im Chess960 verloren hatte, konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich spielte, als sei es Dame oder ein Kartenspiel.

Frage: Im Chess960 sind auch die Großmeister vorne. Ein Mann Ihrer Klasse sollte also doch besser abschneiden.

Grischuk: Das dachte ich auch. Aber zum einen war dieses Open ziemlich stark besetzt, zum anderen denke ich, dass Aronjan und Swagintsew zwei Klassen besser sind im Chess960 als ich. Nachdem ich abgeschlagen war, konzentrierte ich mich auf die Demobretter und schaute den beiden zu.

Frage: Beim Ordix Open lief es dann viel besser ...

Grischuk: Ich sagte allen, dass ich am Anfang auch zum letzten Mal oben auf der Bühne sitze und es mein Ziel sei, noch ein zweites Mal dorthin zu gelangen. Ich spielte dann aber sehr gut. Gegen Elisabeth Pähtz wurde es zeitlich ziemlich knapp mit nur noch einer Minute auf beiden Uhren. Meine Partien gegen Eric Lobron und Alexej Drejew waren sehr gut. Gegen Jewgeni Agrest gewann ich in der letzten Runde sehr leicht, zuvor auch gegen Daniel Fridman. Eigentlich geriet ich nie in Verlustgefahr. Ich freue mich riesig. Das war mein erster Einzel-Turniersieg seit drei Jahren! In der Zeit landete ich fünfmal auf dem zweiten Platz.

Frage: Ihre Partie gegen Ivan Sokolov wirkte haarsträubend, endete letztlich aber friedlich.

Grischuk: Sokolov verteidigte sich brillant. Er fand jeden Verteidigungszug, der die Stellung noch gerade so hielt. Ich lernte immerhin daraus: Gleich in der nächsten Runde verteidigte ich mich nach dem Figurenopfer von Alexej Drejew perfekt.

Frage: Ist das Ihr erstes Turnier in Deutschland?

Grischuk: Nein, 1992 spielte ich in Duisburg bei der U10-WM mit (Anmerkung: Damals siegte Luke McShane dank besserer Buchholz-Wertung vor dem achtjährigen Grischuk/beide 8,5 vor Etienne Bacrot und Vallejo Pons).

„Ein tolles Match“
Stimmen zum 4. Tag: Anand – Polgar 5:3

Judit Polgar, weltbeste Schachspielerin: Der erste Najdorf-Sizilianer war heute etwas solider gespielt als die Tage zuvor. Ich habe dabei eine Partie gegen Nigel Short verbessert. Ich glaube, ich stand vorteilhaft, spielte jedoch im Endspiel zu sehr auf Gewinn. In der letzten Partie fand ich es nicht in Ordnung, dass der Schiedsrichter in meiner Abwesenheit die Uhr drückte. Die drei Minuten waren nicht entscheidend für den Ausgang des Matchs, auch wenn drei Minuten im Schnellschach eine viel größere Bedeutung als im Turnierschach haben. Anand hat verdient gewonnen. Ich verpasste am ersten Tag meine Chance. Ich kam zu spät von meinem Hotelzimmer, weil sich der ganze Terminplan wegen der Open-Preisverleihung um ein paar Minuten nach hinten verschoben hatte. Ich war dann zu nervös und spielte die letzte Partie sehr schlecht. Alles in allem war es trotz des mit einem bitteren Geschmack versehenen Schlusses ein tolles Match.

Viswanathan Anand, vierfacher Chess-Classic-Sieger in Folge: Ich stand in der siebten Partie nicht gut. Aber nach Sd4 von Judit war ich mir sicher, dass ich kaum verliere mit dem Blockadespringer auf d3. Notfalls hätte ich dann auch mal eine Qualität opfern können, um alles im Remissinne zusammenzuhalten. Zu b4 war ich gezwungen. Mein Konterspiel lief dann plötzlich sehr schnell am Königsflügel an. Und mit dem König auf der 6. Reihe fiel mir der Rest leicht. Im Vergleich zu den Duellen der Vorjahren war es spannender. Wir spielten keine perfekten Partien, aber es war spannend. Die vielen Fehler, die es gab, passieren fast zwangsläufig im Sizilianer. Der Wettkampf gegen Wladimir Kramnik vor zwei Jahren war wirklich schlecht und teilweise langweilig. Das Match gegen Ruslan Ponomarjow 2002 empfand ich als hart umkämpft.

„Ich wurde sieben Mal überspielt“
Chess960-WM: Swidler – Leko 4,5:3,5

Peter Leko, entthronter Chess960-Weltmeister: Mit Df3 war meine gute Stellung in der siebten Partie dahin. Die achte Begegnung sah rasch wie normales Schach aus. Ich wollte Swidler schon nach zehn Zügen für sein nachlässiges Spiel umgehend bestrafen. Das ging gründlich schief. Durch den Bauerngewinn stand ich auf Gewinn – und zwei Züge später nach einem Patzer hoffnungslos verloren. Ich verteidigte mich zwar unglaublich lange, meinem Schicksal konnte ich jedoch nicht mehr entrinnen. Schade, das Publikum wünschte sich gewiss einen Blitz-Tiebreak im Chess960. Ich büßte für meine ausgelassenen Chancen wie in der zweiten Partie. Das Match verlief ausgeglichen. Swidler gewann verdient, weil er seine Chancen besser nutzte. Zur Vorbereitung auf dieses Match hatte ich lediglich meine Partien von 2001 gegen Michael Adams. Mit Peter Swidler versuchte ich diesmal mehr, normale Stellungen zu erreichen – schließlich heißt es auch nicht mehr Random Chess (Zufallsschach), sondern ähnlich wie normales Schach, Chess960.

Peter Swidler, neuer Chess960-Weltmeister: „Ich wurde in sieben der acht Partien von Leko in der Eröffnung überspielt. Nur in der dritten Partie stand ich besser. Ich hatte Glück, Leko überspielte mich Runde für Runde. Was seine Analyse der heutigen Partien anlangt, gibt es nichts hinzuzufügen. Leko ist ein großartiger Spieler – es ist daher in jeder Art von Schach eine Freude, wenn man ihn schlagen kann.

Die besten Chess Classic aller Zeiten
Schlusswort von Organisator Hans-Walter Schmitt

Hans-Walter Schmitt: Die Zuschauer waren begeistert: kein Remis, wundervolles Schach, ein spannendes Match. Etwas Besseres kann dem Publikum und den Sponsoren nicht passieren. Die Chess960-WM verlief dagegen eher wie normales Schach. Die Chess Classic 2003 waren zusammen mit dem Turnier 2000, als wir die kompletten Top Ten dabei hatten, die bisher beste Veranstaltung unter meiner Ägide. Ich hoffe, dass sich durch diesen Event noch mehr Sponsoren finden.

„Blutrausch“ auf 64 Feldern
Anand und Polgar spielen beim spektakulären 5:3 „wie die Teufel“

Von Hartmut Metz

Ein falscher Pfiff, der Millionen kostet. Beim Fußball liefern diese Woche für Woche Diskussionsstoff. Beim Schach geht es naturgemäß etwas ruhiger zu. Kein gellender Laut durch eine schwarze Trillerpfeife, der die Massen empört. Schiedsrichter geben auf den 64 Feldern kaum den Ton an. Mit einem Fingerdruck löste jedoch der Mann in Anzug und Krawatte Aufregung aus. Er hatte pflichtbewusst pünktlich die Uhr von Judit Polgar gedrückt – obwohl die weltbeste Schachspielerin in der mit fast 1.000 Zuschauern besetzten Mainzer Rheingoldhalle weit und breit nicht zu sehen war.

Kontrahent Viswanathan Anand zuckte einen Moment, war sich unschlüssig. Sollte er dem Referee in den Arm fallen? Ohne tickende Uhr warten auf die Ungarin? Der ansonsten für sein freundliches, zuvorkommendes Wesen bekannte Inder rang mit sich – und ließ dann den Schiedsrichter gewähren. Zu sehr hatte ihm Polgar zugesetzt. Nach einer Begegnung spritzte der „Tiger von Madras“ aus seinem Stuhl auf und rannte ohne den üblichen Handschlag zum Zeichen der Aufgabe davon. Dreimal schlug die 27-Jährige den Titelverteidiger der Chess Classic Mainz (CCM), dreimal kämpfte sich Anand wieder mühsam heran. Da wollte der 33-Jährige bei seiner ersten Führung, dem 4:3, jeden noch so kleinen Vorteil nutzen, um zum vierten Mal in Folge als Sieger das Mekka des Schnellschachs zu verlassen.

Mit knapp drei Minuten Verspätung eilte Polgar ans Brett und warf ihren Königsbauern zwei Schritte nach vorne. „Im Turnierschach mit zwei Stunden Bedenkzeit machen drei Minuten wenig aus. Aber hier ist es etwa ein Zehntel der Bedenkzeit“, beklagte sich die Weltranglistenelfte bei den Männern. Aufgewühlt war sie nicht mehr Herr ihrer Sinne und ging trotz des Anzugsvorteils mit den weißen Steinen sang- und klanglos unter. Erzürnt witterte sie zunächst bei Anands Leib- und Magenturnier einen Affront. „Wenn Anand zu spät gekommen wäre, hätte der Schiedsrichter die Uhr garantiert nicht angestellt“, klagte Polgar unmittelbar nach der Niederlage zum 3:5.

Ein paar Umdrehungen des Sekundenzeigers weiter hatte sich die temperamentvolle Ungarin wieder beruhigt und beharrte nicht mehr länger auf ein vermeintliches Heimspiel Anands. „Ich bin selbst schuld. Zum einen hätte ich pünktlich aus dem Hotelzimmer zurück sein müssen. Aber ich hatte wegen der Zeitverzögerung vor der ersten Partie des Tages angenommen, dass auch die zweite etwas später als 20 Uhr beginnt“, räumte Polgar ein und setzte fort, „zum anderen verpasste ich an den ersten Tagen eine Vorentscheidung zu meinen Gunsten.“

Die insgesamt rund 2.500 Zuschauer in der Rheingoldhalle erlebten ein heutzutage einmaliges Spektakel: Sämtliche acht Partien wurden entschieden! Die gleichzeitig stattfindende Chess960-WM, bei der die Startaufstellung der Schachfiguren jeweils vor dem Beginn unter 960 Möglichkeiten ausgelost wird, stand im Schatten dieses „tollen Wettkampfs“ (Polgar). Dabei hat sich CCM-Organisator Hans-Walter Schmitt dem Chess960 verschrieben und vergangene Woche einen ersten Weltverband gegründet, um die im normalen Schach kursierende Remis-Seuche zu bannen. Beim 4,5:3,5-Sieg des Russen Peter Swidler über Titelverteidiger Peter Leko (Ungarn) gab es aber fünf Friedensschlüsse.

Anand und Polgar spielten derweil „wie die Teufel – das ist schlecht für Chess960“, befand der niederländische Schach-Journalist Eric van Reem. „Uns gelangen keine perfekten Partien, aber es war spannend“, analysierte Anand. Nach dem „Blutrausch“ auf dem Brett fühlte sich der „Tiger von Madras“ so „k.o., als wäre ich mit einem Klitschko im Boxring gestanden“.

Angesichts der Dramatik und Rekordbeteiligungen in den Open mit 679 Teilnehmern (wir berichteten) sieht Organisator Schmitt die nächsten Veranstaltungen in Mainz gesichert. „Die Zuschauer waren begeistert: kein Remis, wundervolles Schach, ein spannendes Match. Besseres kann dem Publikum und den Sponsoren nicht passieren. Die Chess Classic Mainz 2003 waren zusammen mit dem Turnier 2000, als wir die kompletten Top Ten dabei hatten, die bisher beste Veranstaltung unter meiner Ägide.“

Anand verteidigt Titel
Favorit Grischuk gewinnt Open der Chess Classic Mainz

Mainz (ham) – Die Chess Classic Mainz (CCM) sind bis zum letzten Zug spannend geblieben. Die weltbeste Schachspielerin Judit Polgar ging in spektakulären Partien dreimal in Front, Viswanathan Anand glich dreimal postwendend aus. Dann übernahm der Inder die Regie und zog erstmals im siebten Duell in Front. Auch in der achten Begegnung war Anand Herr des Geschehens und holte mit 5:3 zum vierten Mal in Folge den Titel bei den CCM.

Beim größten Schnellschach-Turnier der Welt vermeldete Organisator Hans-Walter Schmitt überglücklich: „Alle Rekorde gebrochen!“ Bei der zehnten Auflage des Ordix Open meldeten sich erstmals 500 Teilnehmer an. Auch die Qualität war beachtlich mit 129 Titelträgern. Jeder Vierte trug damit einen Meister-Titel des Weltverbandes FIDE. Im Kampf um den Löwenanteil der rund 24.000 Euro Preisgeld setzte sich Favorit Alexander Grischuk durch. Der Weltranglistensechste aus Moskau schlug in der elften Runde Jewgeni Agrest (Schweden) und verbuchte als einziger 9,5 Zähler. Platz zwei ging an Ivan Sokolov. Wie der unter niederländischer Flagge spielende Bosnier kam der Wiesbadener Großmeister Eric Lobron auf 9:2 Punkte. Seit Jahren der größte Erfolge des „Göttlichen“, wie Lobrons Spitznamen lautet. Die Kombinationswertung beider Open ging an Chess960-Sieger Levon Aronjan (Armenien) mit 17,5:4,5 Punkten.

Chess960 WM: Peter Swidler neuer Chess960 Weltmeister!

Bei der Chess960 Weltmeisterschaft löste Peter Swidler mit einem 4,5:3,5 Peter Leko als Weltmeister ab. Nach einem Remis in Runde sieben gewann Peter Leko einen Bauern und wollte die Partie "in den nächsten paar Zügen beenden". Doch stattdessen unterlief ihm ein Schnitzer, so dass die Begegnung binnen zwei Zügen kippte. Peter Swidler ließ sich die Chance nicht mehr nehmen, den Chess960-Thron zu besteigen. Im nächsten Jahr wird Peter Swidler seinen Titel gegen den Sieges des Chess960 Open, Levon Aronian, verteidigen.

Topgesetzter Grischuk gewinnt ORDIX Open. Mit einem Schlußrundensieg gegen Evgeni Agrest sichert sich der junge Russe in der letzten Runde den ungeteilten Turniersieg. Nach langsamen Start schließt er in der 9. Runde zum lange Führenden Sokolov auf und siegt mit 9,5/11.

Swidlers Probleme mit den Chess960-Regeln

Stimmen für die Fachpresse zu den Partien des ersten Tages

Judit Polgar: „Ich folgte der Partie von Vishy gegen Peter Leko, die er in Dortmund spielte. Selbst wenn er nicht Sf4 spielt, ziehe ich anschließend c5 und habe gutes Spiel. Die Eröffnung verlief gut für mich. Dd7 war danach schlecht. Ich gab die Figur mit Dxd6 zurück, weil ich mich danach auf der sicheren Seite befand. Ich stand besser und konnte kaum mehr verlieren. Vielleicht war Dxd6 sogar nicht nur aus praktischer Sicht der beste Zug.

Viswanathan Anand: Ich meine auch, dass Dxd6 am stärksten war. Nicht allein wegen der praktischen Chancen. Ich dachte, ich stehe mit Sxd3 gut, hatte aber eine Abwicklung übersehen, die den Zug widerlegte. In der zweiten Partie lief es deutlich besser: Manchmal kollabiert eben der eine, dann der andere.

Peter Swidler: Unsere erste Partie sah aus wie ein Damengambit und verlief entsprechend ruhig. Es gab nur eine witzige Stellung, die hinter den Kulissen blieb. Weil ich nicht wusste, ob nach der achtzügigen Variante die Rochade erlaubt ist, die das Abspiel ins Gegenteil verkehrt, verzichtete ich darauf. Auch Peter Leko kannte sich nicht aus. Wir erkundigten uns deshalb bei Schiedsrichter Sven Noppes. Der bestätigte, dass die Rochade erlaubt ist. Na ja, bei der ersten Chess960-WM darf so ein Malheur noch passieren ... Die zweite Begegnung, die einem normalen Sizilianer ähnelte, war okay für mich – bis ich Selbstmord beging. Danach hatte Peter alle Möglichkeiten, was jedoch auch zum Problem für ihn wurde. In all den guten Varianten verlor er sich wohl und kam in Zeitnot.

Peter Leko: Im ersten Vergleich wurde alles runtergeholzt. Mit ungleichfarbigen Läufern war nichts mehr zu wollen. In der zweiten Partie wollte ich mit 1.c4 gleich den Bauern auf h7 angreifen. Doch ich verzichtete aus zwei Gründen darauf: Zum einen wäre es gegenüber Peter nicht fair gewesen (Leko grinste bei der Anmerkung), zum anderen erinnerte mich die Stellung an die aus dem Simultan gegen Robert Miklos. Da geriet ich auch sofort in die Bredouille. Nachdem Peter „Sizilianisch“ spielte, fühlte ich mich wohler. Herausholen konnte ich indes nur wenig, bis er mit c4 Selbstmord beging. Ich musste hernach zu viele gute Stellungen prüfen, so dass die Zeit verrann. Es gab zwar am Schluss noch eine Mattvariante, die ich hätte probieren können – 20 Sekunden auf der Uhr ist allerdings nicht mehr genug dafür. Im Chess960 herrscht die Neigung vor, „normale“ Stellungen zu bekommen. Ständig vergleicht man die ersten Züge mit bekannten Eröffnungen. Als ich im Chess960-Open eine Partie zwischen Christian Bauer und Alexej Drejew nach 10, 15 Zügen sah, fragte ich mich, ob die aus der normalen Startstellung heraus Caro-Kann spielten.

Pressebericht Chess Classic Mainz Tag 1

Anand-Polgar

1:1 steht es im Duell des Schach-Königs gegen die Schach-Dame. Judit Polgar gewann die erste Partie im spektakulären Opferstil. Titelverteidiger Viswanathan Anand schlug jedoch im zweiten Vergleich umgehend zurück. Er nutzte die weißen Steine, um eine Qualität zu gewinnen. Im Endspiel war der Rest einfach. So bleibt dem Inder ein Rückstand wie in den Vorjahren gegen Ruslan Ponomarjow und Wladimir Kramnik am ersten Tag erspart.

Chess960 WM

Vadim Zvjaginsev Die interessantesten Varianten blieben zwischen Peter&Peter hinter den Kulissen. Auf ein achtzügiges Abspiel verzichtete Swidler, weil er am Ende seiner Überlegungen nicht wusste, ob Leko danach rochieren darf oder nicht. Danach erkundigten sich beide Spieler beim Schiedsrichter Sven Noppes, ob die Rochade statthaft gewesen wäre. Sie war es. In der zweiten Begegnung stand Peter Leko auf Gewinn. Er hatte jedoch „so viele Möglichkeiten, dass ich gar nicht wusste, welche Variante ich spielen sollte. So verbrauchte ich viel zu viel Zeit". Als er nur noch 20 Sekunden auf der Uhr hatte, gab er Dauerschach - ungeachtet dessen, dass er wieder pro ausgeführten Zug 10 Sekunden Bedenkzeit dazubekommen hätte.

Chess960 Open

Mit 179 Teilnehmern ist das 2. Chess960-Open quantitativ gut besetzt. Aber noch mehr qualitativ: Über 50 Großmeister messen sich im Spiel ohne Eröffnungstheorie. Gegen den Weltranglistensechsten Alexander Grischuk (Russland) gelang dem Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel die Sensation: Der erste Präsident der am Donnerstag gegründeten WNCA (World New Chess Association), dem Chess960-Weltverband, gelang gleich zum Turnierauftakt ein Remis. Führender nach fünf der elf Runden ist der Russe Vadim Zvjaginsev (Foto), der sich als einziger Spieler mit 5/5 und sauberer Weste auf den zweiten Spieltag freuen kann. Bester Deutsche ist Artur Jussupow im Feld der acht Verfolger (alle 4,5:0,5 Punkte).

Dank Zwillingen zurück in die Weltspitze
Privates Glück verhilft Peter Swidler zu Comeback / Chess960-Match in Mainz gegen Peter Leko

Peter Svidler

Peter Swidler ist einer der originellsten Großmeister im Schach-Zirkus – auf dem Brett wie abseits davon. Hier wie dort sind seine Kommentare einfallsreich und launisch. Als dreifacher russischer Meister schien der St. Petersburger Ende des vergangenen Jahrtausends durchaus das Talent zu besitzen, in die Phalanx der Anand, Kasparow und Kramnik einbrechen zu können. Doch Swidler stürzte ab und kehrte erst in der Juli-Weltrangliste wieder in die Top Ten zurück. Hartmut Metz sprach mit dem 27-Jährigen, der bei den Chess Classic Mainz (13. bis 17. August in der Rheingoldhalle) gegen WM-Finalist Peter Leko (Ungarn) ein Match im Chess960 austrägt.

Frage: Herr Swidler, 1999 waren Sie bereits mit 2713 Elo die Nummer acht auf dem Globus. Danach erlebten Sie einen Rückschlag und erholten sich erst jetzt mit der persönlichen Bestleistung von 2723. Woran lag’s?
Peter Swidler: Ich brauchte in der Tat eine Weile. So wie es aussieht, gelingt es mir dieses Jahr endlich wieder, anständiges Schach zu spielen. Ich denke, es hilft einem viel. im Leben, abseits des Schachbretts zufrieden zu sein.

Frage: Sie beziehen sich auf Ihre Scheidung? Im vergangenen Jahr bekam Ihre zweite Ehefrau kurz vor den Chess Classic Mainz Zwillinge – prompt gewannen Sie das Chess960-Turnier.
Swidler: Ich bevorzuge es, nicht viele Worte über mein Privatleben zu verlieren. Aber ich muss gestehen, Vaterschaft ist ein fantastisches Gefühl. Ich genieße jede Minute dieser Rolle. Leider geht das nur, wenn ich zu Hause bin – und die letzten sechs Monate war das bedauerlicherweise allzu selten der Fall. Aus schachlicher Sicht hatten die vielen Engagements aber natürlich auch ihr Gutes.

Frage: Mit dem Open-Sieg beim Chess960 begann Ihr Comeback. Hat die Schachvariante mit Auslosung der Grundstellung Ihren Geist inspiriert, unkonventioneller zu denken?
Swidler: Das wäre zu viel gesagt. Ich denke, mein Comeback begann mit der Geburt meiner Kinder. Inwieweit Chess960 mein Denken beeinflusste, kann ich nicht sagen. Bisher spielte ich zu wenig Chess960, um ernsthafte Schlüsse daraus ziehen zu können. Sicher kann es aber helfen, Intuition und taktische Wachsamkeit zu stärken, weil man sich nicht mehr auf sein Wissen verlassen kann. In jeder Partie musst du dabei improvisieren.

Frage: Um die Improvisationskunst zu reduzieren, streben die meisten Spieler gewohnte Stellungsbilder an.
Swidler: Ja, normale Stellungen kommen nahezu in jeder Begegnung zu Stande – spätestens im Endspiel. Was ich im Vorjahr zu umgehen versuchte, waren symmetrische Stellungen mit Schwarz, um so viel Spaß wie möglich zu haben. Aber das erklärt vielleicht auch, warum am ersten Tag all meine fünf Partien von Weiß gewonnen wurden ...

Frage: Welcher Unterschied ist Ihrer Ansicht nach am gravierendsten zwischen beiden Schacharten?
Swidler: Natürlich fehlt die Eröffnungstheorie. Einige der Startaufstellungen sind viel besser für Weiß – aber manche scheinen mir auch völlig ausgeglichen zu sein. Deshalb gehört eine Portion Auslosungsglück dazu, welche Position man zu Beginn bekommt.

Frage: Sie gelten als einer der einfallsreichsten Großmeister. Kommt Ihnen dieser Vorzug im Chess960 besonders zugute?
Swidler: Bisher habe ich in nur einem Chess960-Turnier gut gespielt, so dass es zu früh für die Behauptung ist, ich hätte gegenüber irgendjemandem riesige Vorteile. Aber ich liebe es in der Tat, am Brett kreativ zu sein – und Chess960 bietet mir viele Gelegenheiten dafür.

Frage: Peter Leko schlug im ersten inoffiziellen WM-Match in Mainz Michael Adams. Welches Resultat erwarten Sie im Chess960-Duell mit dem ungarischen Weltranglistenvierten?
Swidler: Ich hoffe auf ein enges, interessantes Match. Peter muss als Favorit gelten: Er ist in der Form seines Lebens und ein sehr kreativer Spieler, der sich auf neue Herausforderungen freut. Er ist nicht umsonst mehrfacher Janus-Weltmeister (Anmerkung: Eine weitere Schachvariante, bei der das Brett 8x10 Felder umfasst und zwei Figuren, die wie Springer und Läufer ziehen dürfen, der Janus, die Möglichkeiten erweitern).

Frage: Trauen Sie sich zu, in die Top 5 oder gar Top 3 vorzustoßen?
Swidler: Ich stecke mir keine konkreten Ziele – besonders derzeit nicht, wenn keiner weiß, wie es in der Schachwelt weitergeht. Ich versuche mein Spiel zu verbessern und warte ab, wie weit ich damit komme.

Frage: Ihr neuer Mannschaftskamerad beim Bundesligisten Baden-Oos, Alexej Schirow, liegt einen Platz vor Ihnen. Bis auf Platz vier hängen alle dicht beisammen. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen ihm, Peter Leko und Ihnen? Oder gar zu den großen Drei, Anand, Kramnik und Kasparow?
Swidler: Der Hauptunterschied besteht in der Konstanz, würde ich sagen. Ich habe gegen alle eine passable Bilanz, aber ich muss mehr Schwankungen als sie hinnehmen. Die Stile zu vergleichen, scheint mir unmöglich. Du kannst nicht in die Top Ten gelangen, ohne ein universeller Spieler zu sein. Alexej wird als stärkster Angreifer seiner Generation gehandelt – in manchen Jahren hätte er jedoch mehr Punkte gesammelt, wenn er ein exzellenter Endspiel-Kenner wäre. Die Klischees sind alle relativ.

Frage: Im vergangenen Jahr fehlten Baden-Oos hinter der Spitze Anand, Swidler und Michal Krasenkow ein paar Killer, um Meister Lübeck und Köln-Porz anzugreifen. Ist Ihr deutscher Verein nun mit Schirow und dem Spanier Francisco Vallejo Pons stark genug für den Titel?
Swidler: Wir hatten mit Spitzenspieler Viswanathan Anand nur einen Killer. Unser Problem bestand jedoch in den Brettern weiter hinten. Mit Alexej und Francisco besitzen wir eine längere Bank. Auch die jungen Burschen wie Fabian Döttling, Andreas Schenk und andere haben nun mehr Erfahrung als im Aufstiegsjahr. Den Titel zu holen, ist nicht leicht – aber wenn wir die Schlüsselspiele gewinnen, warum nicht?

Judit Polgar fordert Anand heraus
Chess Classic Mainz: Erste WM im Chess960 zwischen Leko und Swidler

Judit Polgar Die Eckpfeiler der Chess Classic Mainz 2003 stehen: Titelverteidiger Viswanathan Anand wird vom 14. bis 17. August von Judit Polgar herausgefordert. Ein reizvolles Duell der Geschlechter im Mekka des Schnellschachs, nachdem in den Vorjahren die Weltmeister Wladimir Kramnik und Ruslan Ponomarjow knapp gegen den „Tiger von Madras“ den Kürzeren gezogen hatten. Auf der einen Seite der weltbeste Schnellschachspieler aus Indien, auf der anderen Seite die alle weiblichen Konkurrentinnen weit überragende Ungarin. Organisator Hans-Walter Schmitt freut sich auf die acht Partien: „Für die Medien gibt’s kaum ein spannenderes Match. Die einzige Frau, die im königlichen Spiel mit der Weltspitze mithalten kann und dazu noch attraktives Schach spielt, trifft auf den unbestritten besten Blitzdenker!“, jubiliert der Bad Sodener.

Gegenseitigen Respekt bekunden die Hauptakteure vor den täglich zwei Partien (ab 18.30 Uhr) in der Rheingoldhalle. Schließlich eilte Anand zuletzt von Turniersieg zu Turniersieg. Erst in Linares wurde die Siegesserie des überragenden Bundesligaspielers des SC Baden-Oos gestoppt. Beim Topturnier in Wijk aan Zee (Niederlande) blieb der 33-Jährige ebenso ungeschlagen wie die knapp hinter ihm zweitplatzierte Judit Polgar. Vor ihrem bis dato größten Turniererfolg im Feld der Weltelite hatte die 27-Jährige auch schon bei der Schach-Olympiade mit einem glänzenden Resultat ihr Können bewiesen. Lohn des Erfolgs ist der Sprung der Budapesterin auf Platz elf der Herren-Weltrangliste. Anand lobt die beste Schachspielerin aller Zeiten über den grünen Klee: „Sie ist ein sehr starker Großmeister. Ihre letzten Ergebnisse waren brillant! Judit spielt sehr taktisch und agiert am Brett pragmatisch.“ Judit Polgar, die 1991 mit 15 Jahren und vier Monaten den legendären Rekord von Bobby Fischer als jüngster Herren-Großmeister aller Zeiten brach, reicht die Blumen zurück an den Ex-Weltmeister. „Anand zählt zweifellos zu den besten Schnellschachspielern der Welt. Ich erinnere mich noch gut an 1991, als er selbst seine normalen Turnierschachpartien im Schnellschach-Tempo herunterspulte. Heute ist er natürlich reifer und überlegt länger, was seiner enormen Spielstärke zugute kommt. Vishy ist ein echter Profi, agiert sehr kraftvoll am Brett.“

Die Favoritenbürde lastet auf dem Seriensieger der Chess Classic – auch wenn der Titelverteidiger betont, er müsse „zu 100 Prozent auf der Höhe sein“, um die Jüngste der drei legendären Polgar-Schwestern in Schach zu halten. Die Frauenturniere strikt ablehnende Damen-Weltranglistenerste sieht Anand als „Favoriten, aber ich werde ihm einen großen Kampf bieten“, verspricht Judit Polgar und verweist auf ihre „zuletzt sehr gute Bilanz gegen Vishy. An meine herrlichen Partien gegen ihn in Wijk aan Zee 2001 und in Dos Hermanas 1999 denke ich gerne zurück“. Respekt hat der Inder zweifellos vor dem „leuchtenden Stern im Frauenschach“. Ob die aparte Vizeweltmeisterin Alexandra Kostenjuk (Russland) oder seine talentierte Landsmännin vom Subkontinent, Humpy Koneru – „Judit misst sich nur an ihren eigenen Erfolgen, nicht an Konkurrentinnen. Sie ist eines der herausragenden Talente der Gegenwart“.

Die Chess Classic werden offiziell am 13. August vom Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel eröffnet. Das Oberhaupt der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt wird danach sicher wieder an einem der Simultans teilnehmen, die um 16.30 Uhr beginnen. Tags darauf beginnt das „Lieblingskind“ von Schmitt: Das Open im Chess960, bei dem vor jeder Partie eine von 960 Startaufstellungen ausgelost wird, soll noch mehr als die 131 Teilnehmer des Vorjahres anziehen. Der 51-Jährige erhob den Wettbewerb zur „offiziellen WM-Qualifikation“. Das Debüt hatte Peter Swidler mit 9:2 Punkten gewonnen. Nun spielt er zeitgleich mit dem Duell Anand – Polgar gegen Peter Leko. Der WM-Finalist, der wohl im Juni im klassischen Schach Weltmeister Kramnik herausfordert, bewies schon 2001 seine Künste im Chess960. In einem spannenden Match schlug der Ungar den Weltranglistenvierten Michael Adams mit 4,5:3,5. Nun prallt also vom 14. bis 17. August der Sieger des Zweikampfs in acht Partien auf den Gewinner des sehr starken Open-Turniers, bei dem sich unter den ersten 32 gleich 30 Großmeister platziert hatten. Die Gunst der Stunde will Schmitt nutzen, um mit den Anwesenden einen Chess960-Weltverband zu gründen und den Sieger des Matchs zwischen Leko und Swidler zum Chess960-Weltmeister auszurufen.

Schach pur garantiert am Samstag und Sonntag (16. und 17. August) zudem das traditionelle Ordix Open. Zu der zehnten Auflage werden wieder rund 500 Spieler erwartet! Zum weltweit am höchsten dotierten Schnellschach-Open (33.333 Euro) pilgern mehrere Dutzend Groß- und Internationale Meister. Im „Vorprogramm“ zu den Zweikämpfen zwischen Viswanathan Anand und Judit Polgar sowie Peter Leko und Peter Swidler werden die Fans wie Teilnehmer gewiss einige Stars bewundern können. An der Spitze steht dabei der Weltranglistensechste Alexander Grischuk (Russland).

Grischuk beim Ordix Open

Grischuk Weltranglistensechster Topstar bei offenen Turnieren in Mainz / Gemeldete Top 50 haben einen Elo-Durchschnitt von über 2600!

Ein Open, zu dem die Weltklasse drängt? Würde das Hauptaugenmerk nicht auf dem mit 33.333 Euro üppig gefüllten Preisfonds liegen, könnte Organisator Hans-Walter Schmitt fast die komplette Elite zum Ordix Open (16. und 17. August) bitten. Doch ein begrenztes Budget für das offene Turnier und den Chess960-Wettbewerb (14. und 15. August) verhindert, dass allein schon das Schnellturnier in der Mainzer Rheingoldhalle zum „Who is Who“ des Weltschachs gerät. Zahlreiche Anfragen musste Schmitt abschlägig beantworten. Das Teilnehmerfeld las sich aber auch so schon Wochen vor Turnierbeginn beeindruckend: allen voran Alexander Grischuk! Der Russe in Diensten des deutschen Meisters Lübeck steht in der Weltrangliste mit 2732 Elo auf Platz sechs. Grischuk, Shooting Star des vergangenen Jahres in den Top Ten, gibt damit sein Debüt bei den Chess Classic. Ebenso wie fast alle der bisher vorangemeldeten 54 Großmeister und 6 Frauen-Großmeisterinnen nimmt der 19-Jährige auch am Chess960-Wettbewerb teil.

Im Erfolgsfalle kann der Weltranglistensechste 7.500 Euro einheimsen. Insgesamt 6.000 Euro sind für die ersten Plätze in den beiden Open ausgesetzt; die genaue Aufteilung ergibt sich dann aus der Teilnehmerzahl in beiden Wettbewerben. Nehmen beispielsweise 500 Aktive am Ordix Open teil und 250 beim Chess960, ergäbe sich ein Verhältnis von zwei Dritteln des Preisfonds (also 4000 Euro für Platz eins im Ordix Open) zu einem Drittel (2.000 Euro) beim Chess960. Zudem gibt es eine Kombinationswertung, bei der die Punktzahlen beider Wettbewerbe aufaddiert werden. Der erfolgreichste Spieler erhält dabei zusätzliche 1.500 Euro. Dem Gewinner des Chess960-Wettbewerbs winkt überdies ein WM-Match gegen den Sieger des Chess960-Duells zwischen dem Weltranglistenvierten Peter Leko (Ungarn) und –achten Peter Swidler (Russland). Auch für Amateure versprechen die beiden Turniere lukrativ zu werden. Insgesamt werden 158 Preise ausgeschüttet, darunter Ratingpreise, die bis zu 600 Euro betragen!

Doch zurück zur Besetzung: Die Nummer zwei der Setzliste ist „Slawisch-Gott“ Alexej Drejew. Mit 2698 Elo liegt er derzeit nur knapp unter der Schallmauer von 2700 und auf Platz 17 der Weltrangliste. Knapp dahinter folgt die Nr. 20 Ivan Sokolov (Niederlande/2693). Im Open sind zudem bisher der ehemalige WM-Halbfinalist Liviu Dieter Nisipeanu (Rumänien/2666), der Usbeke Rustam Kasimdschanow (2664) und Francisco Vallejo Pons (Spanien/2662) gemeldet. Mit den weiteren Assen Alexej Aleksandrow (Weißrussland/2659), Wadim Swagintsew (Russland/2653), Levon Aronjan (Armenien/2649), Michail Gurewitsch (Belgien/2644), dem EM-Dritten und deutschen Ranglistenersten Alexander Graf (Köln-Porz/2643) sowie Wladimir Epischin (Russland/2642) kommt die zwölfköpfige Spitze des Feldes auf einen Durchschnitt von 2667 Elo! Viele bekannte Stars folgen dahinter. Stellvertretend seien nur Rustem Dautov, Artur Jussupow, Vlastimil Hort oder der ukrainische Jungstar Andrei Wolokitin genannt. Die große deutsche Nachwuchshoffnung bei den Damen, Elisabeth Pähtz, ist ebenfalls mit von der Partie. Die Erfurterin in Diensten des Dresdner SC hatte im Vorjahr mit ihrem Zweikampf gegen Vizeweltmeisterin Alexandra Kostenjuk für Aufsehen bei den Chess Classic gesorgt. Die U18-Weltmeisterin ist erste Anwärterin auf den bestdotiertesten Damenpreis.

Die Top 50, die bisher gemeldet sind, weisen den sagenhaften Durchschnitt von 2600 auf! Die ersten 100 bringen es immer noch auf 2535 Elo, also Großmeister-Stärke. Wer die Herausforderung sucht, ist also in der Mainzer Rheingoldhalle genau richtig am Platze. Und die Chancen auf einen lukrativen Geldpreis bestehen trotzdem auch für Amateure: 124 Preise werden ausgeschüttet. Die Ratingpreise sind mit bis zu 1.000 Euro dotiert.

Die aktuelle Teilnehmerliste der Open-Turniere wie auch Infos über die Versteigerung der Chess960-Simultanplätze gegen Peter Leko und Peter Swidler finden sich auf der Webseite www.chesstigers.de. Sie bietet dem Besucher auch noch einiges mehr. So kreierte der bekannte Berliner Schach-Karikaturist Frank Stiefel speziell für die Chess Classic einen Schach-Comic! Außerdem spielen die Chesstigers-Mitglieder, angeführt von Viswanathan Anand, eine Partie gegen den „Rest der Welt“. Dabei gibt es für die Teilnehmer täglich einen Preis zu gewinnen. (ham)

Schluss mit dem Zirkus!
Ex-Weltmeister Viswanathan Anand fordert klare Verhältnisse an der Spitze des Schachs

Anand Ex-Weltmeister Viswanathan Anand hat im vergangenen Jahr herausragende Erfolge gefeiert. Mit Ausnahme des Schach-Turniers in Linares (Spanien) gewann der 33-Jährige alle Wettbewerbe, an denen er teilnahm. Lohn seiner Siege: In Indien wurde der populäre „Tiger von Madras“ erneut zum Sportler des Jahres gewählt. Nur die Rückkehr auf den WM-Thron bleibt dem besten Bundesliga-Spieler der vergangenen Saison, der für den SC Baden-Oos ans Brett geht, verwehrt. Hartmut Metz sprach mit Anand über die Krise des Spitzenschachs und sein anstehendes Turnier in Mainz (13. bis 17. August).

Frage: Herr Anand, Sie äußerten Ihr Bedauern, dass die „Politik den Schachsport in seinen Klauen hält“.
Anand: Soweit ich mich erinnere, gehört Politik seit 1993 zum Schach. Ich hoffe, dass darunter endlich mal ein Schlussstrich gezogen werden kann. Das Spiel leidet wirklich unter dem Hin und Her an der Spitze ohne klare Entscheidung, wer nun Weltmeister ist. Dieser Zirkus kann so nicht weitergehen. Wir alle hoffen, dass im Verlauf des nächsten Jahres die WM-Titel endlich wieder vereinigt werden.

Frage: Wen machen Sie für das Durcheinander verantwortlich? Den Weltverbandspräsidenten Kirsan Iljumschinow und den Weltranglistenersten Garri Kasparow?
Anand: Ich denke, die Namen liegen auf der Hand. Ich brauche die daher nicht einzeln zu nennen. Wegen der weltweiten wirtschaftlichen Lage ist es ohnehin schon schwer genug, Sponsoren zu finden – und dann gibt’s Leute, die noch drei WM-Finals austragen wollen. Die letzten drei Jahre waren ein Zirkus! Und das Ergebnis davon ist, dass es keinen einzigen vermarktbaren Spieler mehr gibt.

Frage: Vor zwei Tagen sprach ich mit Alexej Schirow, Ihrem künftigen Mannschaftskameraden beim SC Baden-Oos. Er meinte, dass er sich nicht allzu sehr um das WM-Hickhack kümmere. Für Sie aber sei es bedauerlich, dass Sie in der derzeitigen Form keine Chance besäßen, um die Weltmeisterschaft zu spielen.
Anand: Natürlich träumt jeder Sportler davon, um die Weltmeisterschaft zu spielen. Im Moment spiele ich gut und hoffe, einige weitere Turniere zu gewinnen. Ich will aber nicht in Superlativen denken, was meine Erfolge anlangen. Ich hoffe einfach, mein Spiel in noch vielen Bereichen verbessern zu können.

Frage: Erachten Sie es als Vorteil, dass Sie sich keine Sorgen um die WM-Austragung machen müssen? Die Involvierten – Kramnik, Leko, Ponomarjow und Kasparow – spielen nicht gerade in Bestform. Kostet das ganze WM-Theater die Beteiligten zu viel Nerven?
Anand: Da müssen Sie die selbst fragen. Die kennen die Gründe besser.

Frage: Wie sähe ihr Vorschlag zur Titelvereinigung aus?
Anand: Eine faire Chance für alle auf den WM-Titel wäre ein guter Anfang. Bis jetzt ist jeder mit Ausnahme von vier Spielern davon ausgeschlossen. Momentan gibt es zu viele Vorschläge, wie man das ändern kann – aber keinerlei Bewegung da hin!

Frage: Gelänge endlich die Wiedervereinigung, wären Sie dann optimistisch gestimmt, was die Zukunft Ihres Denksports anlangt?
Anand: Auf jeden Fall. Schach profitiert durch die gewaltige Verbreitung im Internet enorm. Zudem wuchs das Interesse in Ländern wie Indien und China. Um nun auch noch große, finanziell lukrative Wettbewerbe zu bekommen, ist die Titelvereinigung am allerwichtigsten.

Frage: Sie erwähnten es gerade selbst: In Ihrer Heimat ist Schach mittlerweile äußerst populär. Sie wurden erneut zum Sportler des Jahres gekürt.
Anand: Ja, das Interesse an Schach wuchs in Indien beträchtlich, es zählt nun zu den Topsportarten. An den internationalen Jugend-Titelkämpfen nehmen inzwischen viele Inder teil. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass Schach auch an den Schulen boomt. Eine „Mind Champions Academy” wird gerade getestet. Das ist eine Art virtuelles Gymnasium, an dem Kinder von 2500 Schulen Schach als Hobby mit viel Spaß betreiben können. Was die Ehrung als Sportler des Jahres anlangt, erhielt ich diese von der indischen Ausgabe des weltweit bekannten Laureus Sports Awards. Die Auszeichnung wurde in meiner Heimat erstmals vergeben. Zahlreiche andere Ehrungen als Sportler des Jahres bekam ich in der Vergangenheit von Sportmagazinen oder der indischen Regierung.

Frage: Sie nutzen Ihre Besuche auf dem Subkontinent auch immer, um karitative Einrichtungen zu unterstützen.
Anand: Zusammen mit meinem Sponsor NIIT, dem weltweiten Marktführer was das Lehren von Informationstechnologie anlangt, helfe ich. Dabei geht es vor allem darum, Menschen – besonders unterprivilegierten Kindern – den Umgang mit Computern beizubringen. Der Welt-Computer-Literaturtag am 2. Dezember ist solch eine Initiative. Wir sind dauerhaft bemüht, die klaffende digitale Brücke zu schließen. Kürzlich besuchten meine Frau Aruna und ich in Vidyasagar ein Heim, das geistig behinderte Kinder betreut. Ich wurde zu ihrem weltweiten Botschafter ernannt. Wir möchten durch diese Initiative das Bewusstsein zugunsten geistig behinderter Kinder steigern. Interessant ist dabei, dass viele dieser Spastiker talentierte Schachspieler sind! Generell nehme ich mir Zeit für karitative Veranstaltungen. Dabei liegen meiner Frau und mir Veranstaltungen für Kinder am meisten am Herzen.

Frage: In Mainz fordert Sie Judit Polgar in acht Schnellschach-Partien heraus. Kann die Ungarin Ihre Siegesserie bei den Chess Classic stoppen? Zuletzt beim 2:6 gegen Boris Gelfand bekleckerte sich die 27-Jährige nicht mit Ruhm.
Anand: Wir sind alte Rivalen. Ich spielte einige sehr schöne Partien gegen sie, beispielsweise 1992 in Roquebrune. Ich muss gegen sie auf jeden Fall 100 Prozent geben. Boris Gelfand spielte wirklich gut gegen Judit und verdiente sich den Triumph. Er nutzte alle sich bietenden Chancen und das gab den Ausschlag. Nichtsdestoweniger bin ich überzeugt davon, dass Judit in Mainz ganz anders auftreten wird.

Frage: Die Nummer eins der Frauen-Weltrangliste machte aber ansonsten in normalen Turnieren gewaltige Fortschritte. Beispielsweise belegte Judit Polgar in Wijk aan Zee (Niederlande) Platz zwei hinter Ihnen und blieb ebenfalls ungeschlagen. Erkennen Sie Gründe für Ihren Aufschwung?
Anand: Sie scheint hart an ihrem Schach zu feilen und ihre gewaltige Erfahrung tut ein Übriges. Ich denke, momentan bereitet es ihr richtig Freude, Schach zu spielen.

Frage: Ist das genug, um den weltbesten Schnellschachspieler in Mainz zu schlagen?
Anand: Ich muss natürlich gut spielen – und der Bessere wird in Mainz gewinnen.

Frage: In der deutschen Bundesliga spielten Sie fantastisch und holten 6:1 Punkte am ersten Brett. Ihre Mannschaft aus Baden-Oos belegte indes nur Platz acht. Werden die Baden-Badener in der nächsten Saison, verstärkt durch die Weltklassespieler Alexej Schirow und Francesco Vallejo Pons, stark genug sein, um Meister Lübeck und den Dauerrivalen Köln-Porz hinter sich zu lassen?
Anand: Die Philosophie des Teams und des Sponsors, Grenke Leasing und Wolfgang Grenke selbst, sieht langfristige Perspektiven vor. Eines der Ziele besteht auch darin, badische Talente zu fördern. Eine gelungene Mischung aus lokalen Größen und internationalen Stars gibt der Mannschaft ein besonderes Gepräge. Wir haben ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl im Kader entwickelt. Die meisten von uns sind gute Freunde. Von der Leistung her können wir mit unserem Bundesliga-Debüt halbwegs zufrieden sein. Natürlich werden wir nächste Saison nach Höherem streben. Es gibt andere starke Teams, aber wir haben unser Schicksal selbst in der Hand.

Frage: Sie arbeiteten zeitweise mit Vallejo Pons zusammen. Hatten Sie Ihre Finger im Spiel, als der Spanier von Emsdetten nach Baden-Oos wechselte?
Anand: Ich bin Schachspieler und nicht sein Manager. Wir sind hier nicht beim Fußball!

„Judit Polgar imponierte mir schon immer!“
Chess-Classic-Organisator Schmitt findet Duell der Geschlechter gegen Anand besonders prickelnd
Gründung eines Chess960-Weltverbandes

Die Chess Classic Mainz (13. bis 17. August) bieten dem Schach-Fan wieder in der Rheingoldhalle eine Fülle von interessanten Wettbewerben. Motor des wichtigsten deutschen Schach-Events neben Dortmund ist Hans-Walter Schmitt. Während viele Turniere stagnieren, boomen die Open bei den Chess Classic – dank des 51-jährigen Bad Sodeners, der sich Jahr für Jahr etwas Neues einfallen lässt. Heuer steht die erste Chess960-WM zwischen Peter Leko (Ungarn) und Peter Swidler (Russland) auf dem Plan. Als Hauptanziehungspunkt gilt jedoch das Duell der Geschlechter zwischen Ex-Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) und der weltbesten Frau, der Ungarin Judit Polgar. Hartmut Metz unterhielt sich mit Organisator Schmitt über die Chess Classic Mainz 2003.

Herr Schmitt, 2001 in Mainz „Duell der Weltmeister“ Anand – Kramnik, 2002 Titelverteidiger Anand gegen seinen Nachfolger als FIDE-Weltmeister, Ruslan Ponomarjow, diesmal bestreitet Judit Polgar das Topmatch gegen den Inder. Ein Rückschritt in der Qualität?

Hans-Walter Schmitt: Ganz im Gegenteil, das ist das Beste, was man momentan für Geld am Schachmarkt präsentieren kann. Dieses Durcheinander mit den beiden Vereinigungs-Duellen ist doch wieder einmal eine Lähmung des ganzen Schachs und lässt die Protagonisten wirklich uninteressant erscheinen. Dieses Match ist frisch, spannend und unterhaltend zugleich. Dabei steht eine Menge Prestige auf dem Spiel. Mich wundert wirklich, dass noch kein anderer Veranstalter auf die Idee gekommen ist, dasselbe zu tun oder wenigstens ein Match im Sieben-Stunden-Schach mit den beiden zu veranstalten. Die Wettkampfform Zweikampf ist die fairste, aber zugleich auch gnadenloseste Turnierform, die es gibt, zumal es bei den Chess Classic kein Unentschieden geben wird.

Welche Vorzüge sehen Sie in der Vermarktung des Wettkampfs? Gibt eine Frau diesem ein besonderes Gepräge?

Schmitt: Die beste Schachspielerin der Welt gegen den unbestritten besten Schnellschachspieler der Welt, den Chess Classic Superstar Vishy Anand, das wird Sport, Spiel, Spannung pur sein und exzellentes Entertainment obendrein. Die Grundeinstellung dieser zierlichen Person, Judit Polgar, gegen die besten schachspielenden Männer schon in frühen Jahren und aus Prinzip den Hut in den Ring zu werfen, imponierte mir schon immer. Als sie dann im Wettkampf „Rest der Welt gegen Russland“ Garri Kasparow und Anatoli Karpov im Schnellschach bezwang und in Wijk aan Zee 2003 Anand einen Kampf auf Biegen und Brechen um den Turniersieg lieferte, gab es für mich keinen Zweifel mehr, welche Person die beste Lösung für die Herausforderung von Chess-Classic-Champion Anand ist. Dabei spielte ihre Ratingzahl zunächst eine untergeordnete Rolle. Judit ist im Frauenschach das Maß aller Dinge, niemals zuvor konnte beim Männerschach auch nur annähernd jemand diese Dominanz erreichen - weder ein Garri Kasparow noch ein Bobby Fischer! Ich traue ihr alles zu! Dass Judit Polgar inzwischen auch noch die Schallmauer von 2700 Elo durchbrach, ist das Sahnehäubchen für unser Match.

Anand gilt weithin als weltbester Schnellschachspieler. Hat Judit Polgar überhaupt eine Chance, ihn zu entthronen?

Schmitt: Moment mal: Vishy Anand gilt nicht nur, sondern er ist der beste Schnellschachspieler der Welt. Wer sollte besser sein als der Gewinner des am stärksten besetzten Schnellschachturniers in der Historie (1998: Elo-Schnitt 2781, Kategorie 22), dem einzigen Top-Ten-Turnier aller Zeiten (2000: Elo-Schnitt 2767, Kategorie 21) und der Zweikämpfe gegen den amtierenden Einstein-Weltmeister Wladimir Kramnik (2001) und den Fide-Weltmeister Ruslan Ponomarjow (2002)? Hier ist die Bescheidenheit des zweimaligen indischen Sportler des Jahres und Schachweltmeisters von 2000 bis 2002 völlig unangebracht. Sympathisch wirkt dieses Understatement von ihm allemal, aber ich bitte um mehr Respekt vor seiner Spielkunst. Er ist nicht nur verdammt schnell, sondern er spielt auch fantastisch gut. Und wenn er die groben Unkonzentriertheiten à la Bruder Leichtfuß in wichtigen Turnieren abstellen könnte, dann würde er der Erste sein, der die Elo-Schallmauer von 2900 Punkten durchbrechen.

Eine gewagte Behauptung! Nach Polgars kürzlicher 2:6-Niederlage im Schnellschach gegen Boris Gelfand müsste Anand demnach ja die Weltranglistenerste der Frauen mit 8:0 nach Hause schicken …

Schmitt: Die Frage nach dem Ausgang ist dieses Mal schwer für mich zu beantworten, spontan würde ich sagen, dass mein Freund Vishy bei den Chess Classic unschlagbar ist, weil er sich wohlfühlt und nächstes Jahr wieder eingeladen werden möchte. Aber wenn ich richtig überlege, fällt mir auf, dass Judit die bessere psychologische Ausgangsposition hat. Einerseits hat sie sich im vergangenen Jahr gewaltig verbessert und hat nichts zu verlieren. Andererseits steht eine Menge an Prestige für Vishy auf dem Spiel - zwischendurch hatte ich mal den Eindruck gewonnen, dass er lieber gegen Kasparow oder Kramnik gespielt hätte. Eines steht fest: Wenn er sich nur für das unmittelbar vor den Chess Classic Mainz stattfindende Turnier mit klassischer Bedenkzeit in Dortmund vorbereitet, wo Kramnik, Leko, Bologan, Radjabow und Naiditsch auf ihn treffen, und die Vorbereitung auf die pausierende Judit Polgar vernachlässigt, wird er wahrscheinlich nicht gewinnen können - er muss diese mutige, starke Frau sehr, sehr ernst nehmen.

Im zweiten Hauptereignis stehen sich Peter Leko, der WM-Finalgegner von Wladimir Kramnik, und Peter Swidler gegenüber. Sie verkaufen dies als Weltmeisterschaft im Chess960.

Schmitt: Ich gehe davon aus, dass Sie nichts gegen Vertriebs- und Marketingfachleute im Schach einzuwenden haben, deren generelle Aufgabe es ist, Ideen und Visionen in kurz-, mittel- und langfristige Strategien umzusetzen, um dann den Kunden und Verbrauchern die neuen Produkte anzupreisen. Alles mit dem Ziel, sie auch verkaufen zu wollen - Verkaufen in Verbindung mit Schach gesetzt hört sich bei den Fragen der Schach-Journalisten irgendwie seltsam negativ besetzt an. Doch zum Thema: Wir suchten möglichst einen treffenden Namen für dieses Match, nachdem Peter Leko 2001 Michel Adams im ersten wichtigen 8-Partien Chess960-Match schlug und wir letztes Jahr im ersten Chess960-Open den Sieger Peter Swidler unter 34 Großmeistern, 58 Titelträgern und 131 Teilnehmern ermittelt hatten. Es bot sich einfach an, die Begegnung mit dem amtierenden Champion Peter Leko und des fair und offen ermittelten Herausforderers Peter Swidler als erstes WM-Match zu deklarieren. Wie sollte man es sonst nennen? Es ist ein Neustart einer Schachspielidee. Sie ist noch klein, soll aber fein sein und ihren Platz im neuen Schachmarkt mit Hilfe eines ergänzenden Schachangebotes für „Wenigzeitinhaber“ finden. Dass dazu eine Organisation gebildet werden sollte, ist klar, da die etablierten nationalen und internationalen Organisationen die Entwicklung des Chess960 eigentlich nur behindern. Deshalb wurde im Jahre 2001 der Geschäftsbereich der Chess960 gegründet, um speziell diese Form des Schachs zu fördern und die bestehenden Blockaden und Barrieren zu beseitigen.

Sie haben dieser Schachvariante nicht nur den Namen – der auf die 960 verschiedenen möglichen Startpositionen hinweist – verpasst. Sie versuchen Chess960 auch zu puschen. Ein Weltverband soll gegründet werden.

Schmitt: Die World New Chess Association, WNCA, um genau zu sein. Sie soll die Aktivitäten der sich einzig und allein um die Förderung des Chess960 kümmernden Frankfurt Chess Tigers e.V. international legitimieren und federführend fortsetzen. Während der Chess Classic Mainz 2003 soll ein erster Konvent am 14. August um 9 Uhr im Congress Centrum Mainz stattfinden. Also unmittelbar vor dem Start des Chess960-Open um 12.30 Uhr beziehungsweise der ersten Weltmeisterschaft um 18.30 Uhr. Seit 1997 kümmere ich mich mit Akribie um diese Idee, nicht weil sie von Bobby Fischer kam, sondern um die besondern Merkmale, Vor- und Nachteile gegenüber der gewohnten Figurenaufstellung herauszufinden. Genauso lief auch die Namensfindung 2001 an, um mittels Meinungsumfragen den wirkungsvollsten Namen zu finden. Das Namensungetüm „Fischer Random Chess“ oder die Abkürzung „FRC“ war zu negativ besetzt. Da sich die Chess Classic schon 1994 für die Variante Schnellschach entschieden, um möglichst mit kurzweiligem Schachspiel neue Kunden anzuziehen, hatten wir damit auf Anhieb großen Erfolg. Alle Weltklassespieler waren schon Teilnehmer in irgendeiner Form, und das Ordix Open mauserte sich zum größten Schnellschach-Open der Welt. Jetzt galt es noch einen Schritt weiter zu gehen und dem durch Eröffnungstheorie überfrachteten Schach eine Trendwende zu wieder mehr Basisschachwissen zu geben. Da war schnell klar, dass das nur mit Chess960 richtig gut gelingt. Die Kommentare einiger Teilnehmer beim Prominententurnier 2001 („Da merkt wenigstens keiner, dass ich keine Eröffnungstheorie mehr kann“), als wir für alle überraschend ankündigten, es würden sechs Runden Chess960 gespielt, beseitigten unsere restlichen Bedenken. Der mentale Zugang zu den beruflich und familiär erfolgreichen „Wenigzeitinhabern“ war gefunden. Dass wir zusätzlich eine natürliche Verlangsamung der Eröffnungsphase bei Spitzenpartien bekommen würden, weil die Reduzierung der Wichtigkeit des Eröffnungstheorie zu Gunsten des Schachbasiswissens, Kreativität und Improvisationskunst durchschlägt, vergrößerte den Genuss, die Akzeptanz und damit die Zufriedenheit des Zuschauers exorbitant.

Ist das nicht ein, drücken wir es mal gelinde aus, abstruser Versuch eines Amateurs, der durch Chess960 sein geringes Eröffnungswissen im normalen Schach kaschieren will?

Schmitt: Genau hier fängt die Sache an spannend zu werden! Die Frage impliziert „Eröffnungswissen gleich Spielstärke“. Die Zeit-Investitionen in das Eröffnungswissen zum Nonplusultra zu erklären ist in meinen Augen ein Fauxpas - ein Eigentor mit 100 Metern Anlauf! Diese Entwicklung ist im Weltklasseschach sowie im gehobenen und mittleren Amateurschach zu beobachten. Und der Zeitaufwand vor jeder gespielten Partie wird immer größer, so dass irgendwann nur noch „Vielzeitinhaber“ wie Voll- und Teilzeitprofis, Schüler und Studenten sowie Pensionäre dem Schachsport erfolgreich angehörig sein können. Dazu kommt das ungerechte Ratingsystem, das nur Punkte für langsam gespielte Partien ermöglicht ... Aus meiner Warte eine völlig falsche Entwicklung. Wir grenzen nämlich die „Wenigzeitinhaber“, die im Beruf und in der Familie engagiert sind, ganz aus oder benachteiligen sie dermaßen, dass sie die Lust auf diese Art Schach zu spielen verlieren. Obendrein sitzen diese 30- bis 60-Jährigen an den Schalthebeln der Marketing- und Sponsoringetats von Firmen und Instituten. Diese Leute verfügen normalerweise über ein großes Basisschachwissen, gehen aber im Wettbewerb mit Kontrahenten unter, die über spezielles Eröffnungswissen verfügen - und schon waren sie beim Schach nicht mehr gesehen, bis sie dann in Ruhestand gingen und wieder auftauchten.

Wie bewerten Sie die Akzeptanz des Chess960-Turniers, das am 14. und 15. August vor den großen Wettkämpfen ausgetragen wird?

Schmitt: Bei der Veranstaltungsstruktur haben wir das erfolgreiche Konzept vom letzten Jahr beibehalten: Mittags und nachmittags selbst spielen und abends bei den großen Matchs zuschauen und sich was abgucken. Das innovative Chess960-Open, gleichzeitig Qualifikation des nächsten Herausforderers, ist am 14. und 15. August. Das traditionelle Ordix Open findet anschließend am 16. und 17. August statt. Bei der Abendveranstaltung laufen die acht Partien umfassenden Duelle vom 14. bis 17. August parallel. Jeder Zuschauer oder Journalist bekommt die einmalige Chance, diese beiden Spielarten des Schachs vergleichend zu genießen. Die erste Runde wird immer um 18.30 Uhr und die zweite Runde um 20 Uhr beginnen. Zusammengefasst gesagt: Vier Tage lang Schach nonstop! Die Akzeptanz des Chess960-Turniers nimmt sowohl bei den Profis als auch bei den Amateuren sprunghaft zu, obwohl die Werktage Donnerstag und Freitag nicht gerade geeignet sind, um große Teilnehmerzahlen zu erreichen. Auf jeden Fall wird die Zahl von 131 vom letzten Jahr übertroffen werden und die Qualität der teilnehmenden Titelträger enorm wachsen.

Welche Simultans sind heuer geplant?

Schmitt: Am 13.August wird es im Goldsaal des Hiltons in Mainz eine Weltneuheit geben. Beide Peters, Protagonisten im Kampf um den ersten WM-Titel im Chess960, werden ein Simultan geben – natürlich im Chess960. An je 20 Brettern werden sie 20 verschiedene Stellungen zu bewältigen haben. Ich bin sehr gespannt, wer hier besser zurechtkommt: die „Theoriehaie“ Leko und Swidler oder die Amateure. Ein Rückschluss auf den Vorbereitungsstand auf das WM-Match kann danach auf jeden Fall gezogen werden! Die Ersteigerung von mindestens zehn Simultanplätzen ist über unsere Webseite www.chesstigers.de möglich. Wir spielen auf dieser auch derzeit schon eine Internet-Partie zwischen den Chesstigers-Mitgliedern um Viswanathan Anand und dem „Rest der Welt“, bei der es bei jedem Zug einen Preis zu gewinnen gibt.

Das anschließende Ordix Open verspricht ebenfalls ein Leckerbissen für die Schachfans zu werden. Asse aus den Top Ten sollen auch ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet haben.

Schmitt: Das Ordix-Open ist für Schnellschach ein Markenname geworden. Das bekannte Paderborner Softwareunternehmen Ordix AG sponsert die zehnte Ausführung des Opens im Congress Centrum Mainz. Internet-Live-Übertragung sowie die Präsentation der Spitzenbegegnungen in der vollklimatisierten Rheingoldhalle sind genauso Standard geworden wie die perfekte Durchführung und Auswertung der elf Runden am Samstag und Sonntag. Die Qualität des Feldes in der Spitze wird höchsten Ansprüchen gerecht und die Ausstattung mit einem Gesamtpreisfonds von 33.333 Euro bei insgesamt 158 Preisen kann sich weltweit sehen lassen. Rating und Sonderpreise für Spieler jedweder Spielstärke werden die Chancen jedes Einzelnen erhöhen, da in Verbindung mit der Kombinationswertung von Chess960 und Ordix-Open zusätzlich 34 Preise vergeben werden.




© 8.96 by Gerhard Hund Update 18.08.2003